Laufen in einem Moment noch grandios animierte Tiere über die Bühne, befinden wir uns plötzlich auf hoher See mitten in einem Gewitter. Ein anderes Mal wieder scheint es, als hätten sich Kinder an die Zeichnung der Tiere gewagt. Die Abenteuer von Mowgli, an der Seite von Bagheera und Baloo, finden in verlassenen Supermärkten, auf Mülldeponien oder in der Kirche statt. Alles Orte, von Menschen verwüstet und verlassen.
Nebenbei bemerkt, Mowgli ist in Akram Khans Version, anders als im 1894 erschienen Original, ein Mädchen. Er zeigt uns eine gefühlvolle, starke weibliche Hauptfigur, welche den engagierten jungen Frauen der Jetztzeit um nichts nachsteht. Besondere Gänsehautmomente bieten die Erinnerungen des kleinen Mädchens an seine Mutter und deren Erziehung im Sinne des friedlichen Miteinanders von Menschen und Tieren.
Mit „Jungle Book reimagined“ bringt Khan zum Nachdenken und Staunen. Er bietet ein Tanztheater-Stück, das die Probleme der Gegenwart und Zukunft behandelt. Seine zehn zurückhaltend gekleideten DarstellerInnen demonstrieren in ihren perfekt getanzten tierischen Rollen die Zerstörung der Erde durch den Menschen und die damit einhergehende Entfernung von der Natur. Untermalt wird das Ganze von bedrückender Musik und Klängen der Zerstörung wie Bomben, Geschrei, Motorsägen. Alles furchtbare Geräuschkulissen gemacht von Menschenhand. Auch hören wir immer wieder kurze Sequenzen von Interviews zu den brisanten Themen des
Stückes: Kaum versucht man Erlebtes zu verarbeiten, wirft einem Greta Thurnberg ihre weltberühmte Frage an den Kopf.
Insgesamt legt Akram Khan über sein Tanztheater sehr viel gesprochenen Text, vorwiegend in Englisch. Zum Glück, werden die wichtigsten Botschaften auf Deutsch übersetzt und auf die Leinwände projiziert.
Einzig allein Baloos bezaubernd schrullige Art bringt die ein oder andere Leichtigkeit in das Stück.
Bleibt nur zu sagen: „How dare you?“