Anders als bei Kipling und Disney geht es um eine dystopische, nahe Zukunft, in der Tiere das Mädchen Mowgli retten und bei sich aufnehmen.
Ort ist eine von Menschen verlassene Stadt, die bald versunken sein wird. Und die Tiere sind nicht edle Naturwesen, sondern: Laboraffen, Baloo ein slowakischer Tanzbär, Bagheera das exotische Haustier eines früheren Herrschers und Kaa eine traumatisierte Schlange aus einem Terrarium. Das ist so düster inszeniert, wie es klingt.
Digital projizierte Animationen hinter und – ja, tatsächlich – vor den Tanzenden unterstützen ein einfaches Bühnenbild aus Karton und Unrat, das Khan bewusst nachhaltig und tourneefreundlich gehalten hat. Die englische Filmkomponistin Jocelyn Pook steuert einen sehr kraftvollen, stimmigen Score bei, und auch die eingestreuten Originalzitate von Greta Thunberg fügen sich so nahtlos in die Geschichte ein, als wären sie nur dafür eingesprochen worden. Und in diesem optisch und akustisch üppigen Ambiente liefern die zehn Tänzer:innen eine fantastische Performance.
Alles gut also? Ja, alles gut. Allerdings: Seine stärksten Momente hat das Stück, wenn alle special effects runtergefahren werden und die Bühne nur den Tanzenden gehört. Man möchte den Vorhang zerreißen, der für die Frontprojektionen benötigt wird, um sie alle noch deutlicher sehen zu können. Und auch wenn der zeitgenössische Tanz die militärische Gleichförmigkeit des Corps des Ballets abgeschafft hat: Der Anblick von perfekt synchron tanzenden Körpern flasht unser Gehirn, und diese Company kann das wie kaum eine andere.
Allein dafür lohnt sich der Abend. Wenn das Stück also wieder mal auf dem Spielplan steht: Leisten Sie sich gute Karten im Rang und lassen Sie sich von der Spielfreude der Truppe mitreißen. Ach ja, und lassen Sie Ihre Kinder zuhause, wenn die noch nicht im Teenager-Alter sind. „Jungle Book reimagined“, eine Ko-Produktion des Festspielhaus St. Pölten, mag ein Familienstück sein. Aber es ist kein Kinderspiel.