Im Jahr 2019 hätte Jacques Offenbach seinen 200. Geburtstag gefeiert. Das Jubiläum wurde kaum wahrgenommen – warum glauben Sie, ist das denn so?
Ich glaube, das Offenbach-Jubiläum 2019 wurde teilweise nicht so sehr wahrgenommen, weil Offenbach als Operetten-Komponist und fälschlicherweise nur für ein paar schmissige Melodien bekannt ist und daher leider in der klassischen Musikwelt eher eine Randfigur darstellt. Auf der anderen Seite wurde das Jubiläum doch an vielen Orten gefeiert, es gab etliche Entdeckungen und Ausgaben durch die „Offenbach Edition Keck“, sowie viele Neu-Inszenierungen und Wiederaufnahmen seiner Operetten und Opern, und natürlich unsere CD, die Offenbach von seiner eher unbekannten Seite des Cellisten und Kammermusikers beleuchtet.
Was fasziniert Sie am „Erfinder der Operette“ und mit welcher Komposition des Kölners erfreuen Sie am 05/11 das Festspielhaus-Publikum?
Jacques Offenbach hat wie kein anderer wirklich eingängige Melodien komponiert, die aber nie platt, sondern immer edel sind, schwungvoll, fantasiereich und zu Herzen gehen. Was mich besonders fasziniert, ist der Humor und Witz, den man oft aus seinem Werk heraushört, zum Beispiel auch beim „Danse Bohemienne“, den wir in St. Pölten aufführen werden. Und dazu hat er wie kaum ein anderer wirkungssicher komponiert – seine Stücke haben durchwegs einen Aufbau, der stringent und pointiert auf bestimmte Momente und besonders auf das Ende zuführt. Bei der Cellomusik besticht Offenbach durch atemberaubende Virtuosität (er wurde der Liszt des Violoncellos genannt) und durch besonders gesangliche Melodien.
Foto: Sammy Hart
Sie tauchen mit Richard Strauss‘ Sonate in F-Dur in eine andere Klangwelt. Was verbindet Offenbach und Strauss … und was trennt sie?
Auf den ersten Blick verbindet Strauss und Offenbach wenig, außer dass beide Opernkomponisten waren. Strauss war natürlich viel moderner, doch er hatte auch eine gewisse Süffigkeit, er hatte auch den Witz und diese wirkungssichere Architektur wie Offenbach. Das hat ihn wie auch Offenbach ausgezeichnet: die großen Spannungsbögen und Melodien, die sofort einleuchten, auch wenn sie natürlich oft harmonisch viel komplexer unterlegt sind.
Geige – Cello – Kontrabass. Wieso haben Sie sich für die goldene Mitte entschieden?
Das Cello begleitet mich tatsächlich schon seit meiner Geburt, da meine Eltern beide Cellisten sind und der Klang des Cellos daher einfach schon immer Teil meines Lebens ist. Abgesehen davon gefällt mir am Cello aber besonders, dass es meiner Meinung nach das größte Ausdrucksspektrum hat – nicht so hoch wie die Geige, nicht so brummend wie der Kontrabass. Das Cello hat einfach den größten Umfang und ist universeller, es ist der König der Streicherinstrumente.
Mit Johannes Brahms steht einer der bedeutendsten Komponisten der Musikgeschichte auf dem Programm. Hatten Sie in Ihrem Leben einen ganz persönlichen Brahms-Moment, von dem an Sie wussten: Ohne Brahms ist das Leben nur halb so schön?
Tatsächlich haben meine Eltern die erste Brahms-Cellosonate, die e-Moll Sonate, in meiner Kindheit sehr oft gespielt und ich bin mit ihr aufgewachsen. Da war für mich damals schon klar, dass Brahms einer meiner liebsten Komponisten sein würde. Später, als ich die vierte Sinfonie kennengelernt habe, hat mich die Architektur einfach unglaublich fasziniert, wie sehr Brahms ein Meister der Form und der Entwicklung ist. Mein drittes Aha-Erlebnis war, als ich sein Doppelkonzert für Geige und Cello gehört und gespielt habe – das ist ein Werk, wo sich mir der Himmel öffnet. Ohne dieses Werk ist das Leben wirklich nur halb so schön, oder eben doppelt so schön damit.
Und jedes Mal, wenn ich die Brahms F-Dur Sonate spiele, fällt mir aufs Neue auf, was Brahms uns mit seiner Musik geschenkt hat, und besonders beim zweiten Satz habe ich jedes Mal diesen Brahms-Moment, wo ich mir denke "Wahnsinn, so einen schönen zweiten Satz gibt es einfach kein zweites Mal in der gesamten Celloliteratur".
Corona hinterlässt in unser aller Leben tiefe Spuren und trifft besonders den Kulturbereich hart. Wie gehen Sie mit dieser schwierigen Situation um? Was gibt Ihnen Hoffnung?
Natürlich ist die Zeit für uns, wie für alle, sehr schwierig. Uns gibt momentan Hoffnung, dass das Virus trotz der steigenden Fallzahlen anscheinend oder mittlerweile nicht so tödlich ist wie anfangs geglaubt, und wir hoffen, dass auf einen kompletten Lockdown verzichtet werden kann. Selbstverständlich hoffen wir auch auf einen Impfstoff und bessere Medikamente. Uns gibt auch Hoffnung, dass die Sicherheitsmaßnahmen und Hygienekonzepte im Konzertsaal zu greifen scheinen. Wir haben noch von keinem klassischen Konzert gehört, dass zu einem Superspreader-Event geworden ist. Dass es an sich wieder anläuft, dass man merkt, wie wichtig Musik gerade jetzt in schweren Zeiten ist und die Menschen sie auch dankbar annehmen, das gibt uns die meiste Hoffnung. Und natürlich die Musik selbst.
Zur Vorstellung
Raphaela Gromes & Julian Riem: Offenbach/Strauss/Brahms