Tschaikowskis Schwäne treffen auf Apartheid und Homophobie

Dada Masilo: Schwanensee ©John Hogg

„Es ist alles ein bisschen anders in Dada Masilos Interpretation von Tschaikowskis Klassiker ‚Schwanensee‘. Prinz Siegfried interessiert sich nicht mehr für die vielen Schwanenmädchen, sondern für die Jungs der Balletttruppe […] Ballettschuhe sucht man vergeblich, es wird barfuß und trotzdem perfekt auf Spitze getanzt. Zwischendurch treten die Ballerinas sogar in Gummistiefeln auf.“ Der Falter gibt in seiner Vorankündigung für unser Dezember-Tanzhighlight einen wunderbaren Einblick in das Tanz-Universum von Dada Masilo. Der 32-jährige südafrikanische Shootingstar veranlasste erst unlängst das ImPulsTanz-Publikum zu Begeisterungsstürmen, in der Presse war überschwänglich zu lesen: „Sie ist eine junge Choreografin, die alles richtig macht.“

Dada Masilo, feiert seit Beginn ihrer Karriere vor annähernd 10 Jahren auch fernab ihrer Heimat einen Triumph nach dem anderen. Aber von Anfang an… Die junge Dada entdeckte in einer Familie mit keinerlei Verständnis für Kunst und Kultur mit elf Jahren ihre Leidenschaft für den Tanz. Fluch und Segen zugleich wie sie in einem Interview betont, denn so konnte sie sich komplett selbst erfinden. Mit 13 Jahren wurde sie schließlich beim Straßentanz entdeckt und in die Johannesburg Dance Factory aufgenommen, wo sie mehrere moderne und zeitgenössische Tanzformen studierte – später konnte die talentierte Tänzerin ihre Ausbildung an der renommierten P.A.R.T.S.-Akademie von Anne Teresa De Keersmaeker in Brüssel fortsetzen. Heute holt die sympathische Künstlerin klassische Ballette aus dem europäischen Bildungskanon in unsere heutige Zeit und verfolgt damit ein gewisses Ziel: „Ich will diese Geschichten aus der romantischen Kiste herausholen und sie mit Themen ausstatten, die alle interessieren. Ich raue die Stoffe auf, ich zeige die dunklen Seiten unverblümt, die Habgier, die Angriffslust, die Bösartigkeit, die sich hinter der schönen Fassade verbirgt.“ Ob nun in „Romeo und Julia“, „Carmen“, „Schwanensee“ oder zuletzt auch bei „Giselle“ – Dada Masilo beweist ein ausgezeichnetes Gespür für starke Szenen, prägnante Bilder und ausdrucksvollen Tanz. Ihre Visitenkarte, die Verschränkung von afrikanischem Tanz, europäischem Ballett und Elementen der Moderne, sorgt mittlerweile weltweit für ausverkaufte Säle.

Dada Masilo bricht bewusst mit dem klassischen Ballett, lässt es in nur wenig dramaturgischer Feinarbeit auch aus dem afrikanischen Kulturkreis heraus schlüssig erscheinen und verarbeitet stets auch gesellschaftspolitisch relevante Themen. Am Beispiel „Schwanensee“ ergibt das ein Aufeinandertreffen von Tschaikowskis Schwänen mit Apartheid und Homophobie.

Entstaubt werden die Stoffe auch mit Musikarrangements, die sich sowohl an der klassischen Vorlage, als auch an traditionellen afrikanischen Musiken und elektronischen Klängen inspiriert. Dada Masilos Kreationen sind allesamt Meisterwerke, die getragen von den hervorragenden Tänzerinnen und Tänzern ihrer zwölfköpfigen Kompagnie, genau den Puls der Zeit treffen… Oder wie Helmut Ploebst im Standard schreibt: „Nichts ist postmodern an diesen Balletten, und damit schaffen sie Raum für eine lang vermisste Geradlinigkeit. Kulturelle Diversität, Genderthematik, Sozialkritik mit eingeschlossen. All das wird in rauer Ästhetik und trotzdem mit Witz auf die Bühne geschleudert. Brillant.“

 

fr 08/12 Dada Masilo: Schwanensee



Quellen:
„Dada Masilo: Zum Teufel mit der Schönrednerei“ (Helmut Ploebst, derstandard.at, 10. August 2017)
„Dada Masilo sprengt das klassische Ballett“ (Barbara Petsch, diepresse.com, 08. August 2017)
„Schwule Schwäne im Tutu“ (Sara Schausberger, Falter, 46/2017)

Mein Besuch

0 Einträge Eintrag

Voraussichtliche Besuchszeit

Liste senden