Herr Hagen, Sie sind technischer Leiter seit Bestehen des Hauses. Welche Chancen sehen Sie in dem in mehreren Phasen stattfindenden Umbau für das Festspielhaus und seit wann stehen bauliche Adaptierungen überhaupt im Raum?
Reinhard Hagen: "Für den Umbau des Schnürbodens auf EU-Standard entsprechende, elektrische Züge setzen wir uns bereits seit langer Zeit ein. Die Chancen, die sich daraus ergeben, sind bessere Möglichkeiten der Übernahme von Produktionen, da fast alle Häuser, mit denen wir kooperieren, bereits eine elektrische Obermaschinerie haben. Mit unserer händischen Anlage können wir da einiges gar nicht mehr umsetzen. Es ist tatsächlich schon vorgekommen, dass wir Produktionen aus diesem Grund nicht übernehmen konnten. Dringende Modernisierungsarbeiten machen das Haus zudem zukunftsfit."
Welches Gesamtbudget steht dem Festspielhaus hierfür zur Verfügung?
RH: "Die Modernisierungs- und Renovierungsarbeiten finanziert das Land Niederösterreich im Rahmen der Investitionen für das Landes-Kulturhauptstadtjahr 2024. In seiner Gesamtheit umfasst das Paket rund 6,5 Millionen Euro."
Bereits seit Sommer 2019 erfreut sich das Publikum einer rundum erneuerten Soundanlage im Großen Saal.
RH: "Die alte Beschallungsanlage war dieselbe, die bei der Inbetriebnahme des Hauses eingebaut wurde – also mittlerweile vor fast einem Vierteljahrhundert. Nach mehr als zwei Jahrzehnten im Dauereinsatz war die Betriebssicherheit nun nicht mehr gewährleistet und eine eventuell erforderliche Ersatzteilbeschaffung konnte nicht mehr garantiert werden. Unsere jetzige Anlage ist auf dem neuesten Stand der Technik, der Klang wirkt wesentlich definierter. Wir können somit zu Recht behaupten, dass auf jedem einzelnen Sitzplatz des Großen Saals die Akustik demokratisch in der gleichen, höchsten Qualität ankommt."
Wann startet die nächste Phase des Umbaus und warum wurde sie notwendig?
RH: "Das Dach des charakteristischen transluziden Leuchtkörpers der Fassade bildet ein rund 1.000m² großes Foliendach, das wir für die nächste Phase des Umbaus in Angriff nehmen. Über viele Jahre hinweg ist es aufgrund der starken UV-Belastung spröde geworden und zeigt Alterserscheinungen. Es kann also jederzeit passieren, dass die Folie bricht und es dadurch zu großen Schäden aufgrund von beispielsweise Wassereintritten kommt. Am 26. April 2021 wird mit der Baustelleneinrichtung begonnen: Auf dem schrägen Vorplatz wird ein Kran aufgestellt, der für die Wochen des Umbaus auch als Materiallager dienen wird. Zwischen dem Museum Niederösterreich und dem Festspielhaus werden ein Treppenturm sowie ein Baucontainer aufgestellt. Die Arbeiten selbst bestehen darin, die Isolationsschicht auszutauschen und eine neue, verschweißte Spezialfolie anzubringen."
Wie lange dauern die Arbeiten und wird es zu Einschränkungen rund um das Festspielhaus kommen?
RH: "Es wird zu keinerlei Einschränkungen auf dem Platz kommen, weder für Fußgänger noch für den Lieferverkehr. Es wird lediglich etwas enger werden, aber die Durchgängigkeit des Platzes wird zu jeder Zeit gewährleistet sein. Die planmäßigen Arbeiten werden drei Monate in Anspruch nehmen."
Im Sommer 2021 folgt schließlich die langersehnte Automatisierung des Schnürbodens. Wie wurde bisher im Festspielhaus bei Veranstaltungen gearbeitet?
RH: "Bis jetzt hatten wir die meisten Züge im Handbetrieb: Alles, was in einen Zug eingebunden wird, musste mit Gegengewichten ausgeglichen werden. Das ist unergonomisch, bedeutet mehr Arbeit und ist personalintensiv, da es für jede gleichzeitig stattfindende Bewegung eine Person braucht. Ebenso ist es nicht möglich, Bewegungen zu fahren, die einen Lastwechsel nach sich ziehen (z.B. das Schwenken eines Deckenelements), da es hier zu unkontrollierten Laständerungen kommt. Mit einem elektrischen Antrieb ist das kein Problem."
Was wird sich durch die neue Technik am Schnürboden verändern? Welche Vorteile bietet ein automatisierter Schnürboden? Wie sieht der Zeitplan für die Umsetzung aus?
RH: "Sämtliche Antriebe sind in Zukunft elektrisch und es muss nichts mehr per Hand gefahren werden. Das ist vor allem auch ein Sicherheitsaspekt, da durch die elektronische Steuerung alle Parameter einer Fahrt überwacht werden und es bei Gefahr automatisch zu einer Abschaltung kommt. Außerdem sind in Zukunft Fahrten von mehreren Antrieben gleichzeitig per Knopfdruck möglich und es muss nicht für jede Einzelbewegung eine Person anwesend sein. Unser künftiger Schnürboden wird dem letzten Stand der Technik entsprechen, allen Anforderungen eines modernen Theaterbetriebes genügen sowie ein sicheres und effizientes Arbeiten gewährleisten. Die Umsetzung erfolgt im Sommer 2021 und soll bereits im Herbst, pünktlich zum Start der neuen Saison, abgeschlossen sein."
Für die Besucherin/den Besucher wird es im Jahr 2022 zu merklichen Verbesserungen in der Eingangshalle kommen…
RH: "Wir hatten in den letzten Jahren immer wieder Havarien und Ausfälle bei unseren Eingangstüren, die aufwendige, komplizierte aber vor allem nicht nachhaltige Reparaturen erforderten. Dazu kommt, dass die vorherrschende Eingangssituation im Festspielhaus nicht behindertengerecht ist. Wir haben in den letzten zwei Jahren gemeinsam mit Architekt Klaus Kada die Lage eingehend analysiert und neue Lösungen erdacht: Die Haupteingangstüren werden grundlegend erneuert, die Kassen werden eine optimale Praktikabilität für das Abendpersonal aufweisen und für RollstuhlfahrerInnen wird ein adäquater Platz geschaffen. Im Sommer 2022 wird mit den Umbauten begonnen, so dass im Herbst 2022 eine neue barrierefreie Eingangs- und Kassasituation zur Verfügung steht."