Weltmusik Fado - Interview mit Constanze Eiselt

Constanze Eiselt, Musikkuratorin des Festspielhauses, im Interview über den "schwermütigen" Fado, Eckkneipen in Lissabon und die Erneuerung der Szene.

©Martina Siebenhandl

Frau Eiselt – Sie sind als Musikkuratorin am Festspielhaus verantwortlich für hochkarätige Jazz- und Weltmusik-Abende. Welchen Stellenwert messen Sie dem Fado hierbei zu?
Man hat weltweit nur sehr wenige Städte, die mit einem eigenen Musikstil und Lebensgefühl verbunden werden. Eigentlich fallen mir da nur Buenos Aires mit dem Tango, Rio de Janeiro mit der Samba und eben Lissabon mit dem Fado ein. Das für mich faszinierende an dieser Musik ist die Mischung aus afrikanischen, brasilianischen und maurischen Elementen – sie ist tatsächlich eine Weltmusik par excellence.
 
Fado ist das portugiesische Wort für Schicksal – und tatsächlich stehen in diesem Genre oftmals vom Schicksal gezeichnete Menschen, sozial Missstände oder ein Sehnsuchtsgedanke thematisch im Mittelpunkt. Was entgegnen Sie Menschen, denen dieses Genre allzu schwermütig scheint?
Fado ist ja nur auf den ersten Blick so schwermütig. Die Portugiesen sind sicherlich schicksalsergebene Menschen, aber in einem positiven Sinn, denn sie finden durch Musik, Literatur und nicht zuletzt durch ihren Humor gute Ventile ihre Seelenzustände zu beschreiben. Ich persönlich empfinde Fado auch als kämpferisch, denn der Gesang endet thematisch oft mit einem Rufzeichen. Und das Scheitern in der Liebe oder im Leben zu besingen ist ja eigentlich eine extrem mutige Angelegenheit. Schwermütig finde ich es dann eher, schweigend und einsam in der Ecke zu sitzen. Mal abgesehen davon gibt es viel fröhliche Fados – Gisela João hat einige davon im Repertoire.
 
2011 wurde der Fado in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen. Fado gehört also zu Lissabon wie der Walzer zu Wien?
Eigentlich sogar mehr. Wenn man am Abend in Lissabon durch die Stadtviertel Alfama oder das Bairro Alto spaziert, dringt aus etlichen Lokalen live gespielter Fado. Natürlich viel in kommerziellen Etablissements für den boomenden Tourismus, aber auch in kleinen Eckkneipen, wo sich Freunde treffen und spontan musizieren. Oft ist das generationsübergreifend, und das ist für mich ein Zeichen, dass Fado abseits aller romantischer Klischees lebt und atmet.
 
Wann haben Sie Ihre Liebe zum Fado entdeckt?
Ich bin seit 1997 regelmäßig in Portugal unterwegs und habe einige Jahre den Sommer über in Lissabon gelebt und bei diversen Festivals gearbeitet. Ich fand es großartig, mit meinen Arbeitskollegen abends noch zu einem angesagten Fadolokal zu gehen und neue InterpretInnen zu hören. Zu Beginn der 2000er spürte man eine Erneuerung der Szene, die auch notwendig war – bis dahin galt Fado ja lange als Sound der Repression, da sie von der Militärdiktatur um General Salazar als „Nationalmusik“ verkitscht und darum von jungen Leuten abgelehnt wurde. Was eigentlich ungerecht ist, denn der Musikstil hat sich Mitte des 19. Jahrhunderts in den Armenvierteln Lissabons entwickelt und die Texte hatten traditionell einen sozialkritischen Unterton.
 
Ein paar Worte zum großen Fado-Abend am 16. Februar im Festspielhaus. Was darf sich das Publikum von gleich 2 Künstlerinnen dieses Genres erwarten?
Natürlich ist das Festspielhaus keine der oben beschriebenen Eckkneipen, aber man muss nur die Augen schließen, um sich in eine dieser flirrenden warmen Nächte Lissabons zu träumen, wo der Klang der portugiesischen Gitarre durch die Gassen weht. Ich finde den Bogen spannend, mit Gisela João eine Künstlerin der ganz neuen Generation zu präsentieren, die Fado sehr spielerisch und leicht interpretiert. Und anschließend dann die fabelhafte Mísia, die die nostalgischen, sehnsuchtsvollen, dramatischen Facetten dieser Musik so perfekt verkörpert. Sehr empfehlen kann ich auch die Einführung mit Alcides Murtinheira, der sehr anschaulich die Geschichte des Fado und dessen große InterpretInnen beschreibt.

fr 16/02 Gisela João & Mísia

 

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