Richard Strauss, Ernest Bloch und Erich Wolfgang Korngold am 15/04 im Festspielhaus – was für eine Kombi.
Mutig. Fast waghalsig! Drei Komponisten, von denen zwei so gut wie nie gespielt werden. Drei Werke, von denen ich als Orchestermusiker nur eines kenne, und auch dieses wahrscheinlich nur, weil ich Cellist bin. Ich hoffe aber, dass sich unser Publikum davon nicht abschrecken lässt, sondern – ganz im Gegenteil – so gespannt wie wir Musiker auf diese Musik ist und sich die Chance nicht entgehen lässt, diese so selten gespielten Werke zu hören. Nachdem ich mir zum Studium der Noten die Stücke bereits angehört habe, kann ich versprechen: es wartet unglaublich dramatische, süffige, farbenreiche und sogar erotische Musik auf uns und das Publikum.
Eine plastische Darstellung einer Liebesnacht kommt mit Strauss‘ Einakter „Feuersnot“ zu Gehör. Empfehlen Sie eine Altersbeschränkung für das Konzert?
Sie meinen eine Obergrenze, um ältere Zuhörer mit schwachem Herzen nicht zu sehr aufzuregen? Im Ernst: Richard Strauss hat es offenbar geliebt, derartige Szenen zu vertonen. Sowohl in seinen symphonischen Dichtungen „Don Juan“, „Heldenleben“ oder „Sinfonia domestica“, besonders aber in den Opern „Rosenkavalier“ und „Arabella“ zeigt er meisterhaft, wie man alleine mit Musik den Liebesrausch zweier Menschen darstellen kann. Das Schöne dabei: die Bilder dazu kann und muss jeder für sich alleine im Kopf erzeugen. Dadurch bleibt auch jedem selbst überlassen, wie gesittet oder zügellos es dabei zugeht. Es ist also jeder selbst verantwortlich, ob das Konzert jugendfrei ist oder nicht.
Eine hebräische Rhapsodie in Word-Rap Manier erklärt …
Eine Rhapsodie war ja ursprünglich ein von griechischen Wanderpredigern vorgetragenes Gedicht. Der Begriff wurde später auch etwas abwertend für Werke verwendet, die aus mehreren, nur lose zusammenhängenden Teilen bestanden. Sprich: Wenn ein Komponist es weder zu Stande bringt, einen thematischen Faden durch sein mehrsätziges Werk zu spinnen, noch einen originellen Titel dafür zu finden, dann komponiert er eben eine Rhapsodie.
Ernest Bloch wollte ursprünglich einen Bibeltext aus dem Alten Testament vertonen. Da er sich aber nicht entscheiden konnte, welche Sprache er dafür verwenden sollte, hat er das einzig richtige gemacht: Er lässt das Cello sprechen! Konkret wird ein Dialog des legendären König Salomo (Violoncello) mit seinem Volk (Orchester) dargestellt.
Island oder Indonesien? All inclusive oder Rucksack?
Island! Keine Frage! Ich liebe die skandinavischen Länder wegen ihrer beeindruckenden, kontrastreichen Landschaft, ihrer unglaublichen Weite und ihrer freundlichen Bevölkerung. All das haben meine Frau und ich auf unseren Norwegen-Urlauben mit dem Wohnmobil kennen und lieben gelernt. (Bis hin zu dem Moment, wo uns auf einer Hochebene mitten im Nichts beinahe der Diesel ausging. Kilometer lang fuhren wir was ging im Leerlauf, bis wir schließlich zu einer kleinen Schäfer-Hütte kamen, wo uns ein alter Mann, mit dem wir uns nur durch Zeichen verständigen konnten, einen Kübel voll Diesel aus seinem Tank hinterm Haus schenkte.)
Im Moment werde ich bei der Urlaubsplanung aber von unseren Kindern überstimmt, die unbedingt in den Süden wollen und so verbrachten wir die letzten Sommer immer in Italien, das ich wegen seiner Küche und der herrlichen alten Städte auch sehr liebe. Aber irgendwann werde ich auf mein Minderheiten-Recht pochen und ein Urlaubsvolksbegehren für eine Reise in den Norden ins Leben rufen.
Geige – Cello – Kontrabass. Wieso haben Sie sich für die goldene Mitte entschieden?
Zufällig! Die Frau eines Arbeitskollegen meines Vaters hat Cello unterrichtet. Durch diesen Zufall kam ich nicht nur zu einem wunderbaren Instrument, sondern auch zu einer wunderbaren Lehrerin. Heute bin ich dankbar und glücklich mit dem Cello vielleicht eines der vielseitigsten Instrumente zu spielen, die es gibt. Melodie, Begleitung, Bass, alles ist möglich! Und das mit einem Klang, der offenbar so ins Herz geht, dass ich viele Nicht-Musiker kenne, die sagen, dass das Cello ihr absolutes Lieblingsinstrument ist.
Können Sie diese Formel bestätigen: Orchesterklang ohne Cello = Pommes ohne Ketchup?
Ich hoffe, dass unser Tonkünstler-Orchesterklang vielfältiger und vor allem bekömmlicher ist als eine Portion Pommes frites. Die Rolle des Cellos hat sich im Lauf der Musikgeschichte sehr verändert: sind wir Cellisten im Barock und der Klassik meist das Fundament und der Motor des Orchesters, so überlassen wir ab dem 19. Jahrhundert diese Funktion gerne den Kontrabässen, wenn wir für Aufgaben benötigt werden, die sonst kein Instrument in dieser Intensität erfüllen kann. Wir bringen dann Sehnsucht, Liebe, Trauer oder Erotik zum Ausdruck, die der Komponist mit seinem Werk vermitteln möchte.
Bleiben wir bei der Kulinarik: Wir haben in den vorherigen Word-Raps mit Tonkünstler-KollegInnen bereits erfahren, dass der Kontrabass eine Stelze und die Flöte ein Tiramisu ist. Nun die Frage auch an Sie: Wäre das Cello eine kulinarische Spezialität, was wäre es?
Auf Grund seiner Vielfältigkeit könnte man das Cello vielleicht mit hausgemachten Tagliatelle vergleichen, die man, je nach Stil und Laune des Kochs, raffiniert pikant, deftig, oder – wie in Österreich als „Bröselnudeln“ beliebt – sogar als Süßspeise zubereiten kann.
Was möchten Sie in Ihrem Leben nicht missen?
Meine Mittagspausen mit Tee und dem Standard in meinem Lieblingskaffeehaus (das ich nicht verrate, um weiterhin dort ungestört zu sein), die Arbeit und Freizeit mit meiner Familie in unserem Garten und die außergewöhnlich ansteckende Musizierfreude unseres Chefdirigenten Yutaka Sado.
Woran denken Sie, wenn Sie die gestreiften Sessel im Festspielhaus sehen?
Sie erwarten jetzt wahrscheinlich die Liegestühle am Ostsee-Strand, an die wohl jeder denkt, wenn er das Festspielhaus das erste Mal von innen sieht. Mittlerweile aber denke ich daran, wie glücklich die Sankt Pöltner sind, dass sie die mit Abstand bequemsten Sessel haben, die es weltweit in einem Konzertsaal gibt.
Was lässt Ihr Herz höher schlagen?
Mit meinen Töchtern das Weihnachtszimmer zu betreten; eine Reise mit dem Nachtzug nach Italien; aber auch das Spielen auf der Orgel in unserer Kirche.
Die schönsten Kompositionen für Cello sind …
….die Sonaten von Antonio Vivaldi! Das ist so schlichte und so wunderbare Musik, da ist für jede Stimmung etwas dabei. Ich habe sie bei Konzerten, Begräbnissen, Hochzeiten, Taufen, Geburtstagen, zu Weihnachten und zu Ostern gespielt. Sie passen einfach IMMER! Daneben dürfen natürlich die großen Konzerte von Dvorak, Elgar, Haydn oder Saint-Saëns nicht unerwähnt bleiben, aber auch viele kleine entzückende Stücke, wie z.B., das „Lied ohne Worte“ von Mendelssohn, das ich meiner Mutter jedes Jahr zum Muttertag vorspielen musste.
Hatten Sie die berühmten Warhol’schen „15 minutes of fame“ bereits in Ihrem Leben?
Möglicherweise war das jener Abend, an dem ich das spektakuläre Cellokonzert von Friedrich Gulda mit Orchester spielen durfte. Ich glaube, ich war nie in meinem Leben so aufgeregt, wie am Nachmittag davor und habe vielleicht nie wieder so gut gespielt wie damals. Allerdings muss ich dazusagen, dass es mich nicht unbedingt dazu drängt, in der ersten Reihe zu stehen. Deshalb liebe ich auch meine Position als stellvertretender Solocellist so sehr. Ich bin sozusagen der Co-Pilot, der nur im Notfall das Steuer übernehmen muss, der aber sonst den Kapitän, so gut er kann, unterstützt, ihm Sicherheit gibt, so viele Handgriffe wie möglich abnimmt, damit dieser beide Hände frei hat, um auch bei Turbulenzen oder Triebwerksausfällen das Flugzeug sicher auf den Boden zu bringen. Und ich habe noch dazu das Glück, den vielleicht besten Kapitän zu haben und unterstützen zu dürfen, den man sich wünschen kann.
Drehen wir den Spieß um: Welche Frage würden Sie Fabien Gabel, dem Dirigent des Abends, gerne stellen um etwas tiefer zu blicken?
Ich würde ihn vielleicht fragen, ob es Absicht oder ein Unfall war, mit „Feuersnot“ eine Oper, deren Librettist Ernst von Wolzogen ein deklarierter Unterstützer von Adolf Hitler war, einem Werk aus Blochs jüdischem Zyklus und der Sinfonietta des in die Emigration gedrängten Korngold gegenüberzustellen.
mo 15/04 Alisa Weilerstein . Fabien Gabel: Schelomo
Text: Andreas Prieling und Martin Först
Foto © Birgit Horowitz