Tanzkritik

Sündhafter Reigen menschlicher Vergehen

Sieben Bilder menschlicher Vergehen, auf dem Spielfeld einer kargen, lediglich von Licht- und Soundeffekten bespielten Bühnenlandschaft, ziehen in „The Seven Sins” von Gauthier Dance in den Bann.
Was macht eine Todsünde, ein Vergehen, mit uns persönlich und unseren Mitmenschen? Stehen wir über diesen Vergehen, sind diese zeitgemäß, inwieweit schaden sie uns?
Peter Hofstätter

Die sieben Todsünden sind im katholischen Katechismus schwerwiegende Vergehen, die heutzutage sicher anders bewertet werden. Neid, Völlerei, Habgier, Wollust, Hochmut, Trägheit und Zorn waren und sind immer wieder Themen in der künstlerischen Darstellung. So hat sich Eric Gauthier, Leiter von Gauthier Dance / Dance Company Theaterhaus Stuttgart mit dieser sündhaften Sammlung aus Schriften christlicher Mönche künstlerisch auseinandergesetzt. Schriften die, so vermutet man, aus dem 5. Jahrhundert stammen. Die Todsünden bezeichnen Laster, Charaktere und Neigungen, die im Alltag wohl eher unbewusst vollzogen oder bewusst verletzend gegenüber Mitmenschen eingesetzt werden. 

Was macht eine Todsünde, ein Vergehen, mit uns persönlich und unseren Mitmenschen? Stehen wir über diesen Vergehen, sind diese zeitgemäß, inwieweit schaden sie uns? 

Die Gauthier Dance Company widmet jeder Todsünde eine Sequenz und setzt diese mit rasanten Tanz-Performances um. Eric Gauthier vereint für die Österreich-Premiere sieben bekannte Choreograf:innen: Aszure Barton, Sidi Larbi Cherkaoui, Sharon Eyal, Marco Goecke, Marcos Morau, Hofesh Shechter und Sasha Waltz. Das Ergebnis ist ein kurzweiliger Abend, der eindrucksvoll bewegte Körper zusammen mit Effekten arrangiert. Zum Beispiel die Darstellung von Hochmut: Fünf Frauen zeigen in der Choreografie von Marcos Morau eine Arroganz auf der Bühne, die den Zuseher in den Bann von Macht und Kontrolle zieht. In beeindruckender Synchronizität greift das Bewegungsvokabular der  Frauen, in blauen Trachtenkleidern, wie ein ausgeklügeltes Räderwerk einer Maschine ineinander. Sie schwingen die Beine, die Köpfe und die Arme, wippen mit dem Körper und kommandieren einander durch den Raum.  Warum gerade fünf Frauen dies umsetzen, bleibt dem Betrachter verschlossen. Oder die Umsetzung der Todsünde „Zorn”, die Sasha Waltz sehr wörtlich genommen choreografiert. Zwei Darsteller:innen fordern sich gegenseitig schreiend bis zur Erschöpfung heraus. Zum Ende der Szene schwingen – als eine Parabel der Irrwitzigkeit – die Darsteller:innen schwere Lautsprecher in kreisenden Bewegungen über die Bühne. Ein Kraftakt und Ausdrucksstärke pur. „Seven Sins” vereint sieben choreografische Handschriften zu einem Kaleidoskop menschlicher Schwächen. Arrangiert mit starken musikalischen Eindrücken sowie Lichteffekten, die akzentuiert eingesetzt die Betrachter:innen in ihren Bann ziehen. 

Tanzkritik von Festspielhaus-Reporter Peter Hofstätter zur Veranstaltung The Seven Sins am fr 06/10/2023 im Festspielhaus St. Pölten. 

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