Duell zwischen Tanz und Musik
Adam Linder zeigt im Festspielhaus ein spannungsgeladenes Experiment, das über Harmonie, Konflikt und das fragile Zusammenspiel zwischen Tanz und Musik erzählt.Auf der Bühne, in gespenstischem Grün erleuchtet, erhebt sich eine Stufenpyramide, auf deren Stufen Blumen, Geigen und Cellos liegen. Ein sakraler „Tempel der Kunst“, der sich bald in ein Amphitheater des Kampfes verwandelt: So beginnt „Tournament“, das neue Tanzstück des Choreografen Adam Linder und des Komponisten Ethan Braun.
Zu Beginn sind Tanz und Musik, wie die Schichten in einer Flasche voller Sand, strikt voneinander getrennt. Die Musiker:innen des Solistenensembles Kaleidoskop sitzen in Kapuzenjacken auf den Pyramidenstufen, grün illuminiert; die Tänzer:innen in kurzen Hosen und T-Shirts sitzen rot ausgeleuchtet, mit dem Rücken zum Publikum. Rot und Grün, Hitze und Kühle, Energie des Tanzes und Einklang der Musik: ein visueller Duell-Effekt, der den Grundkonflikt des Stückes verstärkt. Sind Tanz und Musik auf die ewige Verflechtung und das Zusammenwirken angewiesen, oder sind sie ewige Rivalen, im Kampf um Herz und Augen des Publikums?
Musik und Bewegung existieren zunächst nebeneinander, wie ein faszinierendes Sandornament, zugleich präzise und fragil. Die Musik ist disharmonisch, zerrissen, durchsetzt mit Geräuschen wie Wellenrauschen, Regentropfen, Herzklang. Die Tanzbewegungen sind fragmentarisch, brüchig, abgehackt, sie wechseln zwischen Ansätzen von Ballett, zeitgenössischem Tanz und Street-Dance.
Man soll nicht gemütlich zuschauen oder alles sofort verstehen, sondern ein Experiment erleben, voller Reibung, Brüche und Irritation.
Hier zeigt sich eine bewusste Abkehr von klassischer Schönheit: Man soll nicht gemütlich zuschauen oder alles sofort verstehen, sondern ein Experiment erleben, voller Reibung, Brüche und Irritation. Es erinnert an das Bild eines rückwärts gespielten Films: Die zerbrochene Tasse fügt sich wieder, nur um erneut zu zerspringen.
„Tournament“ lebt von der Spannung zwischen Harmonie und Konflikt, zwischen Nähe und Abstand, zwischen Tanz und Musik. So wird diese Tanzperformance zu einem Statement für einen Tanz, der nicht nur glänzen, sondern denken will. Für eine Musik, die nicht begleitet, sondern widerspricht. Für eine Bühne, die nicht bloß Dekoration ist, sondern Versuchsfeld und Kampfraum.
In diesem Mut zum Unfertigen, in der Schönheit der Dissonanz und in der Fragilität der Harmonie, liegt die besondere Kraft dieses Tanzabends.