Tanzkritik

Es hat ordentlich Wumms gemacht im Festspielhaus

Die Überraschung ist groß, wenn das Publikum Beethovens 7. Symphonie erwartet und stattdessen laute, hämmernde Techno-Beats erklingen.

Bei Sasha Waltz & Guests tragen an Aliens erinnernde Wesen metallische Masken. Sie verrenken ihre Körper zum martialischen Sound, dazu sorgen dunkle Nebelschwaden und Lichteffekte für dystopische Stimmung. Spätestens nach 20 Minuten ist man gut beraten die zur Verfügung gestellten Ohrstöpsel zu nutzen. Während dieser knapp 40 Minuten, entsteht eine dramatische Stimmung, die einem ratlos und fragend in die Pause entlässt. Es hat also ordentlich Wumms gemacht.

Ganz anders die Choreografie und Inszenierung nach der Pause. Ein harmonisches Zusammenspiel der Tänzer:innen und dem NÖ Tonkünstler,  erleichtert den Einstieg in den zweiten Teil. War der erste Teil irritierend disruptiv, so ist der zweite Teil der Aufführung ein Befreiungsschlag. Die Tänzer:innen sind gekleidet in seidig, weißen, langen Kleidern und die Männer in weißen Hosen mit nackten Oberkörpern. Die Genderrollen vermischen sich aber auch, so die Vermutung, wir sehen Repräsentant:innen einer diversen Gesellschaft. Die Szenerie bringt in Verbindung mit den weiteren Sätzen der Symphonie eine neue Leichtigkeit auf die Bühne, die Hoffnung versprüht. Einzeln tanzend oder in Gruppen organisiert sind die Bewegungen dem klassischen Ballett angenähert. Auch ein eingearbeitetes Pas de deux fördert diesen Eindruck. Die Tänzer:innen des Ensembles vermitteln  Zusammenhalt. Die Welt, in der sie leben (unsere Gesellschaft?) wirkt plötzlich harmonisch, Beethovens Klänge sanft und freundlich. Als eine Tänzerin eine seidig weiße Fahne schwingt, vermittelt sie den Eindruck von Freiheit und Selbstbestimmtheit: zwar romantisierend, der Gesamtwirkung der Aufführung aber entsprechend. 

Erst durch den zweiten Teil ergibt sich ein logisches und in sich geschlossenes Kunstwerk in Sasha Waltz` Choreografie. Wurde zunächst der Eindruck vermittelt, als ginge es um kaputte Beziehungsgeflechte in der Gesellschaft, so wird im Gegensatz dazu eine Welt des Gemeinsamen und des Teilens vermittelt. Auch wenn die Verstörung im ersten Teil groß gewesen sein mag, so ergibt sich mit dem zweiten klassischen ein beeindruckender Tanzabend.

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