Tanzkritik

Körper als eingeschriebene Geschichten in Bewegung

In Pina Bauschs und Meryl Tankards „Kontakthof - Echoes of 78“ lädt die Begegnung mit dem früheren Ich zu neuen Perspektiven ein. Wirft der Dialog mit der Vergangenheit einen neuen Blick auf die Gegenwart?

Im Jahr 1978 kreierte Pina Bausch ihr Stück „Kontakthof“. Meryl Tankard inszeniert mit den um 47 Jahre gealterten Tänzerinnen und Tänzern des Tanztheater Wuppertal eine Wiederaufnahme. „Kontakthof - Echoes of 78“ gerät in der Konzeption und Umsetzung kreativ und berührend. Choreografin und Tänzerin Tankard erweitert Pina Bauschs Werk durch eine Überlappung der Vergangenheit mit der Gegenwart, indem sie die Schwarzweißaufnahmen von Rolf Borzik aus dem Jahr 1978 auf unsichtbar dünnen Stoff projizieren lässt, während die Tänzer:innen diese Bewegungen parallel nachtanzen. 

Wie Schatten der Vergangenheit legen sich die alten Videoaufnahmen auf eine bunte Gegenwart. Die Tänzerinnen tragen bunte Kostüme und ihre Körper wirken lebendig, grazil und ausdrucksstark - die Spuren ihres Alterns erzeugen körperliche Diversität und Authentizität. 

Wie damit umgehen, dass einige der Mittänzer:innen aus dem Jahr 1978 abwesend sind? Ihre Sessel bleiben leer, während sie auf den Videoprojektionen von damals zu sehen sind. Es ist ein würdevoller Umgang mit der Vergänglichkeit.

Aus dem gegenwärtigen Blick heraus braucht es in manchen Szenen eine neue Kontextualisierung, die gut gelingt: wenn 1978 die Tänzerin, einer ohnmächtigen Puppe gleich, von den Männern begrapscht wird, so muss dies heute zu Zeiten von #Metoo und dem aktuellen Prozess im Fall Gisèle Pelicot neu interpretiert werden: die Tänzerin betrachtet die Szene aus der Vergangenheit, in welcher sie betatscht wird und geht entschlossen weg. 

Das Bewegungsrepertoire scheint den Tänzer:innen auch nach 47 Jahren noch in den Körper eingeschrieben zu sein, mühelos setzen sie die Bewegungssprache auch noch als 70- bis 80-Jährige um. Das „Zur Schau stellen“ des eigenen Körpers von 1978, die Darbietung von Gesicht, Armen, Zähnen, Händen und Hüften, scheinen sie heute nicht mehr nötig zu haben: „Ich bin dankbar, mit diesem Körper gesegnet zu sein“, sagt eine der Tänzer:innen auf der Bühne.

Auch wenn sich unsere sozialen Gefüge in vielen Teilen der Gesellschaft weiterentwickelt haben, bleiben die Themen Einsamkeit und das In-Kontakt-Kommen so aktuell wie damals im Jahr 1978.

 

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