Nostalgie vermitteln
Der amerikanische Choreograf Kyle Abrahams gibt mit „Cassette: Vol. 1“ im Festspielhaus St. Pölten die unverwechselbare Atmosphäre der 80er-Jahre wiederEine schöne graue Wand mit großen, geometrischen Reliefs: Nackte, weiße Schaufensterpuppen, eine Telefonzelle und ein großer Kassettenrekorder. Darüber Fernsehbildschirme unterschiedlicher Größe. Ein Genuss für die Augen.
In knapp einer Stunde bietet uns der amerikanische Choreograf Kyle Abrahams mit seinem eigenen Vokabular an Gesten eine Wiedergabe dieser besonderen Atmosphäre der 80er und frühen 90er Jahre, ausgehend von der Musik seiner Jugend, zu einer Zeit, in der das Fernsehen dominierte. Die Performance in „Cassette: Vol.1“ ist von einer choreografischen Präzision, die den besten Schweizer Uhren würdig ist. Mal als Solo (ja, die Einsamkeit gehört zu allen Jahreszeiten des Lebens), als Duo und Trio, mal als klare geometrische Linien, die in wunderschöne Kanons zerfallen, bieten uns die mit lockig-zerzausten Perücken bestückten Tänzerinnen und Tänzer. Manche werden die Haarpracht schließlich loswerden. Die Fernsehbildschirme ergänzen die Musik und die Bewegungen durch abstrakte Zeichen, Werbespots oder Porträts zeitgenössischer politischer Persönlichkeiten jener Jahre, die Teil der Nostalgie des Choreografen sind.
Vor allem in den Trios wird der Gegensatz zwischen der traditionellen Gesellschaft und dem Wunsch nach Emanzipation in der damaligen Zeit spürbar. Oft steht eine der drei Tänzer:innen in unmittelbarem Gegensatz zu den beiden anderen. Manchmal harmonieren sie für einen kurzen Moment und ziehen sich dann mit aggressiver Geste zurück. Wir spüren die Unruhe der Adoleszenz und der Jugend auf der Suche nach ihrer Identität.
Diese nostalgische Vision der Erinnerungen des Choreografen verliert sich in einem flüchtigen Kaleidoskop, das prägnanter hätte sein können.